Unterhalt beim echten Wechselmodell

13.10.2017

von Gregor Noack

Fachbereich: Familienrecht

Der Unterhalt beim echten Wechselmodell (genau paritätische Betreuung) wird aus dem Verhältnis der Einkünfte beider Eltern errechnet, wobei hierfür Voraussetzung ist, dass beide Eltern auch zur Hälfte die Kosten für das Kind tragen.

Das Kindergeld ist zur Hälfte für den Unterhalt zur Verfügung zu stellen. Die verbleibende Hälfte ist zwischen den Eltern zu teilen (BGH, Beschluss v. 20.04.2016, XII ZB 45/15).

Entgegen landläufiger Auffassung, die zum Teil auch in den Zeitungen verbreitet wird (vgl. zum Beispiel TAZ vom 27.06.2014) ist beim echten Wechselmodell in der Regel Kindesunterhalt zu zahlen. Ein echtes Wechselmodell liegt dann vor, wenn das Kind oder die Kinder paritätisch betreut werden und kein Scherpunkt der Betreuung bei einem Elternteil festgestellt werden kann. Die Berechnung folgt allerdings anderen Regeln:

1.

Der Bedarf des Kindes ermittelt sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern, d.h. die zusammengerechneten Einkommen beider Eltern (abzüglich der berufsbedingten Aufwendungen) ergeben die Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle.

2.

Von dem so ermittelten Bedarf ist auch beim Wechselmodell das halbe Kindergeld abzuziehen.

3.

Der um das halbe Kindergeld reduzierte Bedarf wird im Verhältnis der Einkünfte der Eltern auf diese verteilt, wobei bei der Verhältnisrechnung vorab der angemessene Selbstbehalt in Höhe von 1.300,00 Euro abzuziehen ist.

Wie diese Beiträge abgewickelt werden, ist abhängig von den konkreten Verhältnissen, d.h. davon, wer tatsächlich die Kosten für das Kind trägt. Häufig erfolgen die Zahlungen auf ein Konto des Kindes, von dem auch die Ausgaben bestritten werden können. Bei einer Ausgleichszahlung ist zu berücksichtigen, wer das volle Kindergeld erhält.

Hier ein Beispiel, in dem die Mutter das Kindergeld erhält:

 

1. Schritt: Einkommensberechnung der Eltern und Ermittlung des Bedarfs des Kindes

Vater: Horst Müller

Einkommen von Horst Müller: 2.200,00 Euro

abzüglich berufsbedingte Aufwendungen:  -110,00 Euro

bereinigtes Einkommen: 2.090,00 Euro

––––––––––––––––––

Mutter: Bärbel Müller

Einkommen (ohne Kindergeld) von Bärbel Müller: 1.800,00 Euro

abzüglich berufsbedingte Aufwendungen:  -90,00 Euro

bereinigtes Einkommen: 1.710,00 Euro

––––––––––––––––––

Kind: Frieda, 8 Jahre

Bedarf von Frieda nach dem Einkommen beider Eltern: 3.800,00 Euro

nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand 17

Gruppe 7: 3501-3900, BKB: 1680

Tabellenunterhalt DT 7/2: 535,00 Euro

Abzug des halben Kindergelds: -96,00 Euro

Restbedarf: 439,00 Euro

––––––––––––––––––

 

2. Schritt: Verhältnisrechnung zur Ermittlung der Anteile der Eltern am Unterhalt

 

Berechnungsgrundlage Horst Müller:

Einkommen: 2.090,00 Euro

abz. Selbstbehalt zur Verteilung: -1.300,00 Euro

Ergebnis: 790,00 Euro

 

Berechnungsgrundlage Bärbel Müller:

Einkommen: 1.710,00 Euro

abz. Selbstbehalt zur Verteilung:  -1.300,00 Euro

Ergebnis:  410,00 Euro

 

Anteil am Barunterhalt:

790,00 Euro und 410,00 Euro sind zusammen 1.200,00 Euro und bilden 100% der verfügbaren Masse.

Der Anteil von Horst Müller (790,00 Euro) sind 65,83% der verfügbaren Masse. Der Anteil von Bärbel Müller (410,00 Euro) sind 34,17% der verfügbaren Masse.

Horst Müller muss also 289,00 Euro zum Unterhalt beitragen (65,83 %).

Bärbel Müller muss also 150,00 Euro zum Unterhalt beitragen (34,17%).

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3. Schritt: Ausgleichszahlung und Teilung des restlichen Kindergeldes:

Zur Ermittlung der Ausgleichszahlung werden alle Beträge, die für das Kind zur Verfügung stehen geteilt, da davon ausgegangen wird, dass bei 50% Betreuung jeder Elternteil genau die Hälfte aller Kosten tragen muss.

289,00 Euro (Betrag von Horst) plus 150,00 Euro (Beitrag von Bärbel) plus 96,00 Euro (Hälfte des Kindergeldes) ergeben 535,00 Euro, so dass der Anteil pro Elternteil 267,50 Euro ausmacht.

Damit muss Horst an Bärbel noch einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 21,50 Euro zahlen (289,00 Euro abzüglich 267,50 Euro).

Auf der Seite von Bärbel stehen die 150,00 Euro Unterhalt und die Hälfte des Kindergeldes in Höhe von 96,00 Euro (insgesamt 246,00 Euro), so dass genau die 21,50 Euro fehlen, die ihr von Horst gezahlt werden müssen.

 

Aufteilung der weiteren Hälfte des Kindergeldes:

Die zweite Hälfte des Kindergeldes, also die, die nicht mit dem Unterhalt verrechnet wurde, ist dann zwischen den Eltern aufzuteilen (vgl. BGH, Beschluss v. 20.04.2016, XII ZB 45/15). Bärbel müsste dann an Horst 1/4 des Kindergeldes, also 48,00 Euro zahlen.

Auch Ausgleichszahlung und Kindergeldanteil können saldiert werden.

 

 

Es gibt verschiedene Variationen dieser Berechnung:

  • Bei beengten finanziellen Verhältnissen wird nicht mit dem angemessenen, sondern mit dem   notwendigen Selbstbehalt in Höhe von 1.080,00 Euro gerechnet.
  • Es kann auch so gerechnet werden (zur Vereinfachung bei einer einvernehmlichen Regelung), dass das volle Kindergeld vom Bedarf des Kindes abgezogen wird. Dann kann die Erstattung von 1/4 des Kindergeldes entfallen.
  • Teilweise wird gefordert, den Bedarf nicht nach der Düsseldorfer Tabelle sondern nur konkret zu bestimmen.
  • Sind mehrere gleichrangige Unterhaltsgläubiger (z.B. weitere Kinder aus anderen Beziehungen) zu berücksichtigen, wird nicht die Differenz zwischen dem bereinigten Einkommen und dem Selbstbehalt in die Berechnung eingestellt, sondern der Anteil dieser Differenz, der bei gleichmäßiger Verteilung (unter Berücksichtigung verschiedener Bedarfe) auf das Kind in der Unterhaltsberechnung entfällt.·      
  • In der Regel wird mit den tatsächlichen Einkünften der Eltern und nicht mit fiktiven Einkünften (z.B. aufgrund der Verletzung von Erwerbsobliegenheiten) gerechnet.

Erzielt ein Elternteil Einkünfte unterhalb des Selbstbehalts, muss der andere Elternteil den Unterhalt in der Regel allein tragen, wobei die Ausgleichszahlung weiter wie oben ermittelt wird.

 

Wollen die Eltern auch bei einer nicht genau paritätischen Betreuung abweichend von der gesetzlichen Regelung eine gemeinsame Beteiligung am Barunterhalt und am Betreuungsunterhalt vereinbaren besteht die Möglichkeit, den Unterhalt wie beim Wechselmodell zu berechnen, im dritten Schritt der Berechnung aber nicht von einer hälftigen Beteiligung auszugehen, sondern zum Beispiel bei einer Betreuung von 30% zu 70% dieses Verhältnis der Berechnung einer Ausgleichszahlung zugrunde zu legen.

Mit einer solchen Regelung können die Konsequenzen der gegenwärtigen rechtlichen Situation (liegt kein echtes Wechselmodell vor, kommt der weniger betreuende Elternteil allein für den Barunterhalt des Kindes auf, beim echten Wechselmodell werden beide Eltern beteiligt) abgemildert werden. Das ökonomische Interesse an einer bestimmten Betreuungsregelung tritt wieder in den Hintergrund.

 

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