Helmpflicht für Fahrradfahrer, macht dies Sinn?

21.07.2016

von André Mors

Fachbereich: Verkehrsrecht

Ist eine Helmpflicht für Fahrradfahrer sinnvoll? Besteht eine Mithaftung des Fahrradfahrers, wenn er keinen Fahrradhelm trägt und bei einem Verkehrsunfall verletzt wird?

Im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfällen mit Beteiligung von Fahrradfahrern werde ich seit einiger Zeit vermehrt mit schweren Verletzungen, u.a. auch mit schweren Kopfverletzungen, konfrontiert. Ist das Tragen eines Fahrradhelmes daher sinnvoll, macht eine generelle Helmpflicht Sinn?

Besteht eine Mithaftung des Fahrradfahrers, wenn er keinen Fahrradhelm trägt und bei einem Verkehrsunfall verletzt wird? Die Frage der Helmpflicht wird schon seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Und doch nimmt der Fahrradverkehr - auch in Berlin - stetig, ja teilweise rasant zu. Wir alle kennen die Bilder von überfüllten Fahrradwegen im Berufsverkehr, wir kennen die viel zu engen Fahrradwege und wir kennen die teilweise schon rücksichtlose Verkehrsführung / Verkehrslenkung, die das Straßenbild prägt. Und wir kennen die zum Teil dramatischen Meldungen über Unfälle mit der Beteiligung von Radfahrern. Daher die Frage, wie kann jeder einzelne Fahrradfahrer das grundsätzlich bestehende Verletzungsrisiko mindern, was sollte durch den Gesetzgeber in puncto Fahrradfahrern veranlasst werden?

Verhindert oder mindert der Fahrradhelm Kopfverletzungen?

JA! Verschiedene Untersuchungen, Studien und auch gutachterliche Stellungnahmen belegen, dass Fahrradhelme Radfahrer vor schweren Kopfverletzungen schützen können bzw. die Verletzungsfolgen zumindest erheblich mindern. In einer neueren Studie aus dem Jahr 2015 kommen Forscher der University of Arizona zu dem Ergebnis, dass der Kopfschutz das Risiko einer schweren Kopfverletzung um 58 Prozent verringert. Die Gefahr, an den Unfallfolgen zu sterben, sank sogar um 59 Prozent.

Ebenso bestätigen Studien u.a. der Versicherungswirtschaft und eine vom Thüringer Ministerium für Bau, Landesentwicklung und Verkehr einberufene Expertenkommision, dass Fahrradhelme die meisten  lebensbedrohlichen Kopfverletzungen verhindern oder zumindest abmildern können. Die Ergebnisse der Experten sprechen für sich! Ja, dass Tragen eines Helmes beim Fahrradfahren ist sinnvoll! Der <link www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/verkehrsunfall-in-berlin-mahlsdorf-helm-rettet-radfahrer/8390422.html - external-link-new-window "Der Tagesspiegel">Tagesspiegel</link> veröffentlichte hierzu am 21.06.2013 eine durchaus nachdenkliche Meldung über einen Verkehrsunfall zwischen einem abbiegenden Autofahrer und einem Radfahrer. Bei diesem Unfall rettete der Helm vermutlich das Leben des Radfahrers.

Deshalb mein klares Plädoyer für das Fahrradfahren mit Helm! Jedoch darf jeder Fahrradfahrer, jeder Verkehrsteilnehmer die Schutzwirkung des Helms nicht überschätzen! Der Helm ist nur eine Komponente, die uns vor den täglich auf uns lauernden Risiken im Straßenverkehr schützen kann.

 • Macht eine Helmpflicht für Fahrradfahrer jedoch Sinn?

Laut <link www.dvr.de/betriebe_bg/daten/radhelmpflicht_europa.htm - external-link-new-window "Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.">Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.</link> besteht in 19 Ländern eine Helmpflicht für Fahrradfahrer mit unterschiedlichem Regelungsgehalt. Jedoch gehen auch im Ausland die Meinungen für eine allgemeine Helmpflicht auseinander, besteht in diesem Punkt kein Konsens.

In Deutschland existiert derzeit keine gesetzliche Helmpflicht für Fahrradfahrer. U.a. der <link www.adfc.de - external-link-new-window "Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club e. V.">ADFC</link> (Allgemeiner Deutscher Fahrrad Club e. V.) spricht sich gegen eine Helmpflicht aus. Er begründet dies damit, dass die Helmpflicht nicht durchzusetzen und nicht zu kontrollieren sei. Auch bestünde die Gefahr, dass eine Helmpflicht die Fahrradnutzung drastisch senken würde. Der ADFC vertritt zur Helmpflicht die durchaus richtige Auffassung, dass eine generelle Senkung des Unfallrisikos für Radfahrer vorrangig durch eine radfahrerfreundliche Verkehrsplanung erfolgen sollte.

 

<link www.deutsche-verkehrswacht.de/home/die-verkehrswacht.html - external-link-new-window "Die Verkehrswacht e.V.">Die Verkehrswacht e.V.</link> tritt ebenfalls nicht für eine Helmpflicht ein, sie rät grundsätzlich allen Radfahrern einen Helm zu tragen und fördert das freiwillige Tragen von Fahrradhelmen. Sie rückt die Vorteile des Tragens von Fahrradhelmen in den Mittelpunkt und führt seit 2011 eigens dafür die <link ich-trag-helm.de - external-link-new-window "Aktion „Ich trag‘ Helm“">Aktion </link>

<link ich-trag-helm.de - external-link-new-window "Aktion „Ich trag‘ Helm“">„Ich trag‘ Helm“</link>

durch.

Ich selbst beobachte verstärkt, dass Eltern zwar darauf achten, dass ihre Kinder beim Fahrradfahren einen Helm tragen, jedoch selbst darauf verzichten. Die Gründe hierfür mögen vielschichtig sein, ob man jedoch mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Helmpflicht diesen Zustand ändert, mag ich bezweifeln. Klar ist, dass die Helmtragequote in Deutschland zu gering ist. Dieser Umstand kann jedoch durch eine entsprechende Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit positiv verändert werden. Hohe Helmtragequoten aus Staaten, in denen keine Helmpflicht besteht, zeigen, dass auch durch Freiwilligkeit eine beachtliche Popularität des Fahrradhelms erreicht werden kann.

Aber eben nicht nur der Helm kann Leben retten. Grundsätzlich ist der Radverkehr sicherer zu gestalten. Unfallschwerpunkte müssen entschärft werden, die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr sollte und muss ernst genommen werden (<link www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__1.html - external-link-new-window "§ 1 StVO">§ 1 StVO</link>).

Daher sehe ich persönlich keinen Sinn einer gesetzlich verordneten Helmpflicht, sondern eher die Notwendigkeit im Umdenken in der Verkehrspolitik und Klärung der Fragen, wie der Radverkehr attraktiv und sicher gestalten werden kann.

 • Besteht seitens des Radfahrers eine Mithaftung bei fehlendem Fahrradhelm?

Seitens der Versicherungswirtschaft und u.a. durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht wurde in der Vergangenheit eine Mithaftung des geschädigten Radfahrers angenommen, wenn die Kopfverletzung bei Benutzung eines Fahrradhelmes verhindert oder reduziert worden wäre.

Der Bundesgerichthof hat hierzu klargestellt, dass das Tragen eines Fahrradhelmes sinnvoll ist, jedoch ein fehlender Fahrradhelm nicht zu einer Mithaftung des Fahrradfahrers führt (<link juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py _blank external-link-new-window "Opens external link in new window">Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13</link>). Also keine Mithaftung! Und daran sollte sich auch nichts ändern.

 • Was bedeutet dies für den Alltag des Radfahrers auf der Straße?

Schwere Fahrradstürze haben viele Ursachen. Ob Alleinunfall des Radfahrers, eine sich plötzlich öffnende Fahrer- oder Beifahrertür, eine Vorfahrtsverletzung oder ein unachtsam nach rechts oder links abbiegendes Fahrzeug, jeder Fahrradsturz kann zum Teil zu schwersten Verletzungen führen. Ein Helm kann den Verkehrsunfall, den Sturz nicht verhindern, aber oft die Verletzungsfolgen mindern.

Im Ergebnis müssen Unfallursachen beseitigt werden, die Verkehrspolitik muss schnell und effektiv auf den stetig wachsenden Fahrradverkehr reagieren und den Wunsch der Bevölkerung nach einer besseren Radinfrastruktur und einer anständigen Verkehrsmoral umsetzen. Daher ist hier jeder Einzelne und im großem Umfang auch die Verkehrspolitik gefordert, um den Radverkehr sicherer zu gestalten. Eine Entscheidung "pro Helm" ist dabei ein richtiger und wichtiger Schritt.

 

 

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